das Rädchen im Leistungsgetriebe

'Du hast keine Chance', sagte gestern eine Kollegin zu mir. 'Du bist ein Zahnrädchen im Getriebe und wenn sich alle drehen, dann musst du mitdrehen.' Wir kamen darauf zu sprechen, weil ich meinen Wunsch äusserte, möglichst viel von der Feriengelassenheit im Berufsalltag zu behalten. Am Abend überlegte ich mir, ob das wirklich so sein muss oder ob sich etwas ändern würde, wenn ich nicht von einer Maschine ausgehen würde, sondern eher von einem wachsenden Pflanzengebilde. Hätte ich dann eine grössere Chance, nicht in den Alltagstrott zu verfallen? Das Bild einer Maschine mit sich drehenden Rädchen bezeichnet zwar oft gut, was uns im technokratisch gesteuerten Alltag begegnet, doch bin ich nicht dazu verpflichtet, mein Denken danach auszurichten. Wenn ich also eher vom Lebendigen ausgehe, einem wachsenden und rankenden Gebilde - kann sich allein dadurch mein Arbeitsalltag verändern, so dass ich mich nicht von den immer gleich drehenden Rädchen beeinflussen lassen muss?

Überlebende des Holocoust haben darüber geschrieben, dass es möglich ist, Menschlichkeit in einem starrren, militanten System zu bewahren. Dazu gehörte die berühmte Pianistin Alice Herz-Sommer. Sie hat das Konzentrationslager Theresienstadt dank der Musik überlebt. Ihre Biografie 'Ein Garten Eden inmitten der Hölle' schildert eine warmherzige und von Optimismus regelrecht getragene, starke Persönlichkeit. Alice Herz-Sommer liebte das Leben und die Musik so sehr, dass sie sage und schreibe 110 Jahre alt geworden ist. Bis ins hohe Alter übte sie täglich am Klavier. Strahlend sagt sie (https://www.youtube.com/watch?v=pedXjUTQUAY), dass das Leben ein wunderbares Geschenk sei.

Ich will mich auch nach den Ferien lieber an ihre Aussage halten. Letztlich ist alles Schwingung. Wenn wir gut hinhören, dann wird daraus Musik.